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Zulässigkeit Dashcam-Aufnahmen

Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Haftpflichtprozess:
Mit Urteil vom 15.05.2018 (Az. VI ZR 233/17) bewertete der BGH die Verwertung einer Dashcam-Aufzeichnung im Zivilprozess als zulässig. 
Das Amtsgericht (AG) Magdeburg ließ erstinstanzlich eine Verwertung nicht zu. In zweiter Instanz wurde die Nichtverwertbarkeit durch das Landgericht (LG) Magdeburg bestätigt.
 

Sachverhalt: 

In der Sache kam es zu einer Kollision zwischen dem Kläger und der Beklagten, wobei sich die beteiligten Fahrzeuge beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander liegenden Fahrspuren befanden. Im Rahmen der Beweisaufnahme war – auch nach Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens – nicht abschließend zu klären, welcher der beiden Unfallbeteiligen seine Fahrspur verlassen hat.
Der Kläger hatte eine Dashcam im Fahrzeug, die den Unfallhergang aufzeichnete, wobei nach dem Vortrag des Klägers nur die Aufzeichnung einer 30 Sekunden langen Sequenzen erfolgte. Nach Überprüfung der Aufnahme war jedoch festzustellen, dass die Aufzeichnung 40 Sekunden lang ist und im Übrigen nur einen Teil einer längeren Aufzeichnung darstellt, da es sich bei der zur Verfügung gestellten Datei um eine gekürzte Fassung handelt.
Gegen eine Verwertbarkeit der Aufnahme sprach nach Ansicht des LG Magdeburg insbesondere, dass diese nicht anlassbezogen erfolgte und das Kamerasystem darüber hinaus keine automatische Löschung durch Überschreiben vorsah. Im Übrigen lag kein erheblicher Sach- oder Personenschaden vor, der nach Ansicht des LG Magdeburg für ein Überwiegen des klägerischen Interesses an der Verwertbarkeit sprechen könne. Aus diesem Grund überwog nach Ansicht des LG Magdeburg das Recht der Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung.

Entscheidung und Gründe: 

Die im Rechtsstreit als Beweismittel angebotene Aufzeichnung verletzt nach Ansicht des Senats datenschutzrechtliche Vorgaben, hier § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Von einer Verletzung der Vorschrift sei jedenfalls bei einer permanenten und anlasslosen Aufzeichnung auszugehen. Eine solche weit reichende Aufzeichnung sei aus Sicht des BGH zur Wahrnehmung des Beweissicherungsinteresses nicht erforderlich, da es technisch möglich ist, kurze, anlassbezogene Aufzeichnungen, die nur das Unfallgeschehen zeigen, anzufertigen.
Ein entsprechender Verstoß gegen das Datenschutzrecht führe jedoch nicht zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot, da hier stets eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist.
Dabei ist zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, nämlich seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggfs. als Recht am eigenen Bild andererseits abzuwägen.
Der Senat des BGH stellt dabei fest, dass sich der Beklagte durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer aussetzt.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich der Geschädigte aufgrund der Schnelligkeit des öffentlichen Straßenverkehrs oftmals in einer besonderen Beweisnot befindet. Über diese Beweisnot kann mangels Anknüpfungspunkten auch ein unfallanalytisches Gutachten oft nicht hinweghelfen.
Auch ein möglicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht anderer ändere nichts an der Verwertbarkeit der Aufnahmen im Prozess, da aufgenommene Personen insbesondere durch die Vorschriften des Datenschutzrechts ausreichend geschützt werden. Sinn und Zweck der datenschutzrechtlichen Vorschriften sei nicht die Begründung eines Beweisverwertungsverbots.
Der Bundesgerichtshof geht nach seiner Pressemitteilung in der Entscheidung davon aus, dass jede Dashcam-Aufzeichnungen im Zivilprozess grundsätzlich als Beweismittel verwertbar sind. Die Verwertbarkeit wird insbesondere nicht davon abhängig gemacht, dass die Aufzeichnung nur anlassbezogen erfolgt.
Gleichwohl sollte stets berücksichtigt werden, dass der BGH zumindest bei permanenten anlasslosen Aufzeichnungen von einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht ausgeht. Insoweit ist zu empfehlen, vor einer Einführung entsprechender Dashcam-Aufzeichnungen in den Prozess, die Risiken eines etwaigen Bußgeldverfahrens durch die Datenschutzbehörden abzuwägen. Hierzu beraten wir Sie gerne. Meist wird das Abwarten des Eintritts der Verjährung eines Bußgeldverfahrens helfen.