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Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall

speziell: Stundenverrechnungssätze

Sie hatten einen unverschuldeten Verkehrsunfall und haben über den entstandenen Fahrzeugschaden ein Sachverständigengutachten eingeholt? Sie haben die ermittelten Reparaturkosten fiktiv, ohne eine Reparatur, von dem gegnerischen Versicherer verlangt? Der Versicherer regulierte den Schaden zwar nach einer 100%-igen Haftungsquote, kürzte aber den Reparaturschaden unter Verweis auf eine billigere Werkstatt?

Dann lesen Sie doch die nachfolgenden Hinweise, um sich einen ersten Überblick über die aktuelle Rechtslage zu verschaffen.

Bislang ist es durchaus gängige Praxis der Versicherer bei einer fiktiven Abrechnung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall die Reparaturkosten nach Einholung eines eigenen hauseigenen Gutachtens/Prüfberichtes zu kürzen. Entsprechend herrscht auch in der Rechtsprechung Streit, ob bei einer fiktiven Abrechnung durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer Werkstatt Grundlage für die Schadensabrechnung sein dürfen oder der Geschädigte diejenigen Stundenverrechnungssätze in Ansatz bringen darf, die ein Sachverständiger auf Grundlage der Preise markengebundener Werkstätten ermittelt.

Der BGH hat mit Urteil vom 29.4.2003 –VI ZR 398/02 (Link zum Urteil) entschieden, dass auch bei der fiktiven Schadenabrechnung grundsätzlich das Verhalten eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten zum Zwecke der Schadensbehebung maßgeblich ist. Dazu gehört aber eben auch die Entscheidung des Geschädigten, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen.

Der BGH hat mit Urteil vom 20.10.2009 –VI ZR 53/09 (Link zum Urteil) auch entschieden, in welchen Fällen dennoch eine Verweisung möglich sein kann.

Hierfür sind drei Schritte zu beachten:

1. der Geschädigte genügt dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn er der Schadensberechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm beauftragter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Ist diese Voraussetzung erfüllt, bedarf es keiner weiteren Darlegung etwa zu dem Alter oder Laufleistung des Fahrzeuges. Hierfür trifft den Geschädigten die Darlegungs- und Beweispflicht.

2. wenn es eine anderweitige günstigere Reparaturmöglichkeit gibt, die

mühelos und ohne weiteres zugänglich (Entfernung, ca. 20-22 km) sowie

technisch gleichwertig ist, also vom Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht,

kann der Geschädigte auf diesen günstigeren Weg verwiesen werden.

Dabei bleiben allerdings Vergleichspreise von Werkstätten außer Betracht, die auf mit dem Haftpflichtversicherer vereinbarten Sonderkonditionen beruhen. Denn anderenfalls würde die dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensregulierung in eigener Regie bietet. Die Darlegungspflicht hierfür trifft den Schädiger und dessen Versicherer.

3. Trotz einer Gleichwertigkeit kann ein Verweis auf eine anderweitige Reparaturmöglichkeit unzumutbar sein, wenn das beschädigte

– nicht älter als drei Jahre ist oder

– der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat reparieren lassen, z.B. Scheckheft, Werkstattrechnungen.

Mit dem „BMW-Urteil“ des BGH vom 23.2.2010- VI ZR 91/09 (Link zum Urteil) wurden die Anforderungen an eine Referenzwerkstatt, die der Versicherer angibt, konkretisiert.

Demnach muss es sich bei der Referenzwerkstatt um einen Meisterbetrieb für Lack- und Karosseriearbeiten handeln, der die Reparaturen unter Verwendung von Originalteilen durchführt und regelmäßig von unabhängigen Prüforganisationen kontrolliert wird. Jedenfalls darf die Referenzwerkstatt keine deutlichere Entfernung vom Wohnort des Geschädigten haben, als eine Markenwerkstatt.

Selbst wenn diese Voraussetzungen von der Versicherung behauptet werden, ist es durchaus gerechtfertigt auf die „gekürzten“ Beiträge, notfalls gerichtlich, zu bestehen. In den meisten Fällen handelt es sich nämlich bei den angegebenen Preisen um Sonderkonditionen, die zwischen dem Versicherer und den Werkstätten vereinbart sind und grade nicht jedermann zugänglich sind. Auf Sondervereinbarungen darf jedenfalls, auch nach BGH Urteil vom 4.8.2010- VI ZR 337/09 (Link zum Urteil), nicht verwiesen werden. Ebenfalls kann in einem Rechtsstreit die Gleichwertigkeit der Reparatur angegriffen werden. In den meisten Fällen kann der Versicherer als darlegungs- und beweispflichtiger die Gleichwertigkeit einer Reparatur gerade nicht nachweisen.