Der Arbeitgeber kann eine außerordentliche Kündigung vom Ausgang eines beamtenrechtlichen Disziplinarklageverfahrens abhängig machen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2013, 2 AZR 741/12
Den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung dürfen Arbeitgeber nicht lange vor sich herschieben, denn für eine solche Kündigung hat man ab Kenntnis des Kündigungsgrundes nur zwei Wochen Zeit.
Die Zweiwochenfrist ergibt sich aus § 626 Abs. 2 BGB und soll dem gekündigten Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber verschaffen, ob der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis fortsetzen will oder nicht.
Besteht der Kündigungsgrund in einer (möglichen) Straftat, können Arbeitgeber trotz der gesetzlichen Zweiwochenfrist den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten, um auf diese Weise genauere Informationen über den Kündigungssachverhalt zu gewinnen.
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Arbeitgeber auch den Ausgang eines beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens abwarten kann, bevor er außerordentlich kündigt:
Hier das Urteil des BUNDESARBEITSGERICHT vom 26.9.2013, 2 AZR 741/12
Außerordentliche Kündigung – Kündigungserklärungsfrist
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. Juni 2012 – 7 Sa 33/12 – insoweit aufgehoben, wie es auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 7. November 2011 – 3 Ca 284/11 – abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts wird insgesamt zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte ist eine Evangelisch-Lutherische Gesamtkirchengemeinde in Bayern. Der 1950 geborene Kläger war bei ihr seit September 1982 nebenberuflich als Kirchenmusiker gegen einen Verdienst von etwa 400,00 Euro monatlich beschäftigt. Er war im Hauptberuf beamteter Gymnasiallehrer im Schuldienst des Freistaats Bayern.
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Der Kläger unterhielt zu einer damals minderjährigen Schülerin über mehrere Jahre eine sexuelle Beziehung. Es kam auch in der Kirche zu sexuellen Handlungen. Im Jahre 2005 zeigte die ehemalige Schülerin den Kläger an. Das Strafverfahren wurde wegen Verjährung eingestellt.
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Die Beklagte stellte den Kläger wegen der Vorgänge ab Mitte 2006 von der Arbeitsleistung frei. Ab Januar 2008 zahlte sie ihm keine Vergütung mehr.
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Die Landesanwaltschaft betrieb im Disziplinarverfahren die Entfernung des Klägers aus dem Schuldienst. Das Verwaltungsgericht entsprach dem Antrag im Jahre 2008. In ihrer Ausgabe vom 25. Oktober 2010 berichtete die Süddeutsche Zeitung über die Angelegenheit und die ausstehende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts am 15. Dezember 2010 zurück. Hierüber berichtete die Fränkische Landeszeitung am 16. Dezember 2010.
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Mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 hörte die Beklagte die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Diese stimmte der Kündigung vor deren Ausspruch zu. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2010, das dem Kläger am 28. Dezember 2010 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.
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Der Kläger hat gemeint, ein hinreichender Kündigungsgrund sei nicht gegeben. Zudem habe die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Der gesamte kündigungsrelevante Sachverhalt sei ihr infolge des Berichts der Süddeutschen Zeitung bereits seit Oktober 2010 bekannt gewesen. Ferner sei die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
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Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2010 sein Ende gefunden hat.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Die Tätigkeit des Klägers als Musiker habe im direkten Zusammenhang mit dem kirchlichen Verkündigungsauftrag gestanden. Die von ihm eingeräumten sexuellen Handlungen an einer Minderjährigen, zumal in der Kirche, seien damit schlechterdings nicht in Einklang zu bringen. Der Kläger habe ihrem Auftrag durch sein Verhalten sehr geschadet. Die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie gewahrt. Ihr Kündigungsentschluss habe sich maßgeblich auf die rechtskräftige Entfernung des Klägers aus dem staatlichen Schuldienst gegründet. Es sei für sie „schwer vorstellbar“ gewesen, einen Organisten wegen Missbrauchs einer Minderjährigen aus dem Kirchendienst zu entfernen, wenn er im staatlichen Schuldienst Kinder und Jugendliche weiterhin unterrichten dürfe.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2010 beendet worden. Es kann dahinstehen, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach § 39 Abs. 2 Satz 1 der Kirchlichen Dienstvertragsordnung (DiVO) oder § 13 Abs. 7 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Bayern (AVR-Bayern) ohnehin nur aus wichtigem Grund kündbar war. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist unabhängig davon wirksam.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, für die außerordentliche Kündigung sei ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben.
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1. Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 14; 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 13).
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2. Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 29, BAGE 137, 54; 12. März 2009 – 2 ABR 24/08 – Rn. 30). Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 293/09 – Rn. 19; 10. September 2009 – 2 AZR 257/08 – Rn. 20, BAGE 132, 72).
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a) Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann dieses die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 31, BAGE 137, 54; 28. Oktober 2010 – 2 AZR 293/09 – Rn. 19).
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b) Für die in Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern beschäftigten Arbeitnehmer gelten gem. § 6 der Arbeitsrechtsregelung der Arbeitsrechtlichen Kommission Bayern über die berufliche Mitarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ihrer Diakonie für den Bereich der privatrechtlichen Dienstverhältnisse (ARR – Anlage 9 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Bayern) insofern besondere Loyalitätsobliegenheiten. Nach § 7 Abs. 3 ARR wird eine schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung als schwerwiegender Loyalitätsverstoß angesehen, die eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen rechtfertigen kann. Eine Weiterbeschäftigung ist gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 ARR ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von einem Arbeitnehmer eines der in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 ARR genannten Einsatzbereiche begangen wurde. Zu diesen gehören Aufgaben im Bereich der Verkündigung. Von einer Kündigung kann nach § 7 Abs. 5 Satz 2 ARR ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalls dies als unangemessen erscheinen lassen.
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3. Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch sexuelle Handlungen mit einer Minderjährigen, zumal in der Kirche, in erheblichem Maße verletzt. Er hat dadurch in schwerwiegender Weise gegen seine Loyalitätsobliegenheiten gegenüber der Beklagten verstoßen. Sein Verhalten stellt eine schwere persönliche sittliche Verfehlung iSv. § 7 Abs. 3 ARR dar, die geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden. Das Landesarbeitsgericht hat – dem Arbeitsgericht folgend – angenommen, dass die Tätigkeit des Klägers als Kirchenmusiker im direkten Zusammenhang mit dem Verkündigungsauftrag der Beklagten stand. Mit diesem ist die Vornahme sexueller Handlungen mit einer Minderjährigen, und noch dazu in einer Kirche, unvereinbar. Gegen diese Würdigung wendet sich auch der Kläger nicht.
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4. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war der Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile auch nur bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist nicht zumutbar.
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a) Der Kläger hat sich in einer für die Beklagte nicht hinnehmbaren Weise in Widerspruch zum Verkündigungsauftrag der Kirche gesetzt. Die Beklagte darf von einem im Zusammenhang mit diesem Auftrag tätigen Mitarbeiter einen Lebenswandel ohne schwere sittliche persönliche Verfehlungen erwarten. Sie würde in den Augen der Öffentlichkeit unglaubwürdig, wenn auch nur der Anschein entstünde, sie sei bereit, ein Verhalten wie das des Klägers zu dulden. Der Kläger kann sich im Verhältnis zur Beklagten insoweit nicht auf eigene schützenswerte Interessen berufen. Zum einen sind sexuelle Handlungen an Minderjährigen nach Maßgabe etwa der §§ 174, 176, 182 StGB zum Schutz der Entwicklung der Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen zu sexueller Selbstbestimmung strafbewehrt. Zum anderen handelte es sich unabhängig von einer Strafbarkeit nach dem Selbstverständnis der Beklagten zumindest um schwere sittliche Verfehlungen. Dieses kirchliche Selbstverständnis ist von den staatlichen Gerichten ihrer Würdigung zugrunde zu legen (vgl. zum verfassungsrechtlich garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zuletzt BAG 25. April 2013 – 2 AZR 579/12 – Rn. 21 ff.).
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b) Einer Abmahnung des Klägers bedurfte es nicht. Seine Pflichtverletzung wiegt so schwer, dass deren auch nur erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und – auch für ihn erkennbar – ausgeschlossen war (vgl. zu diesem Maßstab BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 16; 19. April 2012 – 2 AZR 186/11 – Rn. 22). Die langjährige Beschäftigungsdauer des Klägers rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zwar ist der Arbeitsmarkt für Kirchenmusiker begrenzt. Der Kläger hat jedoch über einen langen Zeitraum seine Loyalitätspflichten in schwerwiegender Weise verletzt und hatte bei der Beklagten überdies nur eine Nebenbeschäftigung inne.
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II. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.
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1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 – 2 AZR 433/12 – Rn. 27; 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 30; 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 15, BAGE 137, 54).
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2. § 626 Abs. 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Die Regelung beruht auf der Erwägung, dass bei noch längerem Hinauszögern der Kündigung eine Unzumutbarkeit, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, nicht angenommen werden kann. Zudem soll der andere Teil in angemessener Zeit Klarheit darüber erhalten, ob von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird. Da die Frist erst mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, und von da ab noch zwei Wochen beträgt, wird zugleich verhindert, dass der Kündigende zu einer überstürzten Entscheidung gezwungen ist (vgl. BT-Drucks. V/3913 S. 11; BAG 28. Oktober 1971 – 2 AZR 32/71 – zu III 1 der Gründe, BAGE 23, 475).
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a) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Fort- und Ausgang des Ermittlungs- und ggf. Strafverfahrens abwarten und abhängig davon zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Für die Wahl des Zeitpunkts bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr ausreichend Erkenntnisse für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch einer (neuerlichen) Kündigung nehmen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 31; 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 16 mwN, BAGE 137, 54). Das Recht, die Kündigung an neue Erkenntnisse im Strafverfahren zu knüpfen, trägt den Aufklärungsschwierigkeiten und eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers Rechnung (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 33).
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b) Der Arbeitgeber kann den endgültigen Ausgang eines Strafverfahrens auch dann abwarten, wenn es ihm auf das Werturteil ankommt, das mit einer Verurteilung des Arbeitnehmers verbunden ist (BAG 29. Juli 1993 – 2 AZR 90/93 – zu II 1 c cc der Gründe; Staudinger/Preis 2012 § 626 Rn. 296; Herschel Anm. AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 9; Finken Die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB für die Erklärung der außerordentlichen Kündigung S. 71). Dies setzt allerdings voraus, dass er das Ergebnis tatsächlich abwartet und überdies seinen Kündigungsentschluss von ihm abhängig macht. Weder der Verdacht strafbarer Handlungen noch eine begangene Straftat stellt einen Dauertatbestand dar. Sie ermöglichen es dem Arbeitgeber nicht, in der Zeitspanne bis zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Arbeitnehmers zu einem beliebigen Zeitpunkt fristlos zu kündigen (BAG 29. Juli 1993 – 2 AZR 90/93 – zu II 1 c dd der Gründe).
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3. Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
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a) Die Beklagte hat nicht dargelegt, wann genau sie Kenntnis von dem zum Anlass für die Kündigung genommenen Verhalten des Klägers erlangt hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist nicht ausgeschlossen, dass dies bereits im Jahr 2006 oder 2008 oder doch nach dem Erscheinen des Berichts in der Süddeutschen Zeitung Ende Oktober 2010 der Fall war. Die Beklagte hat sich auch nicht darauf berufen, den Ausgang des Disziplinarverfahrens zum Zweck der weiteren Sachverhaltsaufklärung abgewartet zu haben.
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b) Näherer Feststellungen bedarf es gleichwohl nicht. Die Beklagte durfte ihren Kündigungsentschluss – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – deshalb vom Ausgang des Disziplinarverfahrens abhängig machen, weil es ihr auf das mit einer Entfernung des Klägers aus dem Schuldienst verbundene Werturteil ankam. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe sich schwerlich vorstellen können, den Kläger aus ihren Diensten zu entlassen, wenn er als Lehrer im staatlichen Schuldienst weiter hätte unterrichten dürfen. Aufgrund der Besonderheiten des beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens erscheint dies zumindest im vorliegenden Fall nicht sachwidrig. Zwar stellte eine Entfernung des Klägers aus dem Schuldienst für sich genommen keinen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Auch leuchtet nicht unmittelbar ein, dass die Beklagte ihre eigene Würdigung von der eines staatlichen Gremiums abhängig gemacht hat. Bei dem Ergebnis des Disziplinarverfahrens handelt es sich aber um einen Umstand, der als „für die Kündigung maßgebende Tatsache“ iSv. § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB Berücksichtigung finden konnte.
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aa) Das mit einer Entfernung aus dem Dienst im Wege eines beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens einhergehende Werturteil steht zwar dem einer strafrechtlichen Verurteilung nicht gleich. Das Disziplinarverfahren ist nicht auf Ermittlung und Sanktion strafbaren Verhaltens ausgerichtet. Dennoch ist auch mit der Entfernung eines Beamten aus dem Dienst eine unabhängige Bewertung des ihr zugrunde liegenden Fehlverhaltens verbunden.
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(1) Das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren soll die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung aufrechterhalten. Dabei geht es auch um das Ansehen und das Wirken des Dienstherrn in der Öffentlichkeit. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, ob ein Beamter, der in vorwerfbarer Weise gegen Dienstpflichten verstoßen hat, mit Blick auf das Gesamte seiner Persönlichkeit im Beamtenverhältnis weiter tragbar ist und durch welche Disziplinarmaßnahme ggf. auf ihn eingewirkt werden muss, um weitere Pflichtenverstöße zu verhindern (st. Rspr., vgl. nur BVerwG 28. Februar 2013 – 2 C 3/12 – Rn. 23, BVerwGE 146, 98).
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(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewertet und entscheidet dies nicht allein der Dienstherr. Es kann daher dahinstehen, ob sich die Beklagte ausschließlich an dessen Entscheidung hätte ausrichten dürfen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst kann nur durch rechtsgestaltendes Urteil im Disziplinarklageverfahren durchgesetzt werden (§ 34 BDG; Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BayDG vom 24. Dezember 2005, GVBl. S. 665). Die Beurteilung obliegt damit unabhängigen Gerichten. Die Beklagte hat dementsprechend ihre Entscheidung über die Kündigung vom rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten abhängig gemacht.
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(3) Die Entfernung aus dem Dienst erfordert einen endgültigen Vertrauensverlust (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Maßgeblich ist nicht allein das Vertrauen des Dienstherrn, sondern auch das der Allgemeinheit. Ebenso wie im strafrechtlichen Verfahren gilt die Unschuldsvermutung; das Verwaltungsgericht hat von Amts wegen alle be- und entlastenden Umstände aufzuklären (Urban/Wittkowski BDG § 58 Rn. 8 f.).
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bb) Mit Blick darauf handelte die Beklagte nicht sachwidrig, als sie ihre Entscheidung über den Ausspruch einer Kündigung vom Ausgang des beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens abhängig machte. Ein Strafverfahren, an welchem sie sich hätte ausrichten können, war wegen Verjährung eingestellt worden. Sie durfte sich am Ergebnis des Disziplinarverfahrens orientieren, um die Bewertung des Verhaltens des Klägers durch staatliche Gerichte in ihre Entscheidung einzubeziehen. Nach § 7 Abs. 5 Satz 2 ARR hat sie schwerwiegende Gründe des Einzelfalls zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Als ein solcher hätte immerhin in Betracht kommen können, dass der Kläger trotz seines Fehlverhaltens im staatlichen Schuldienst hätte verbleiben dürfen. Mit der rechtskräftigen Entfernung aus dem Dienst stand für die Beklagte fest, dass ein solcher Umstand nicht vorlag.
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cc) Nicht entscheidend ist, ob dem Kläger bekannt war, dass die Beklagte den Ausgang des beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens abwarten wollte. Zwar dient – wie erwähnt – die Frist des § 626 Abs. 2 BGB auch dazu, dem anderen Teil in angemessener Zeit Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch macht. Das Gesetz knüpft den Beginn der Frist aber dennoch allein an die Kenntnis des Berechtigten von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen, nicht daran, ob und ggf. seit wann der andere Teil weiß, welche Tatsachen der Kündigungsberechtigte kennt und für maßgeblich hält. Es schafft auf diese Weise den gebotenen Ausgleich zwischen dem Interesse des anderen Teils an baldiger Gewissheit und dem Interesse des Kündigungsberechtigten, die Entscheidung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung auf hinreichender Tatsachengrundlage treffen zu können. Dies dient zugleich dem Interesse des anderen Teils an der Vermeidung einer übereilten Kündigung. Er muss also mit der Möglichkeit rechnen, dass der Berechtigte mit einer Kündigung aus sachlichen Gründen noch zuwartet, wenn er sie trotz Kenntnis der den Kündigungssachverhalt betreffenden Fakten nicht ausspricht. Zudem war im Streitfall über das Disziplinarklageverfahren in der Presse berichtet worden. Es lag deshalb auch für den Kläger die Annahme nicht fern, dass die Beklagte von dem Verfahren wusste und sich eine Kündigung bis zu dessen Abschluss vorbehielt.
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c) Die Beklagte hat die Kündigung rechtzeitig erklärt. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs datierte vom 15. Dezember 2010. Sie wurde gem. Art. 64 Abs. 2 BayDG an diesem Tag rechtskräftig. Selbst wenn die Beklagte noch am selben Tag Kenntnis von ihr erlangt haben sollte, ist die Kündigung dem Kläger am 28. Dezember 2010 innerhalb von zwei Wochen zugegangen.
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III. Die Beklagte hat ihr Kündigungsrecht nicht nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt. Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, sie habe dem Kläger sein Verhalten verziehen oder habe darauf verzichtet, es zum Anlass für eine Kündigung zu nehmen, sind weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich. Vor Beginn und Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB sind ein Verzeihen oder ein Verzicht nur anzunehmen, wenn der Kündigungsberechtigte eindeutig seine Bereitschaft zu erkennen gegeben hat, das Arbeitsverhältnis trotz kündigungsrelevanter Vorfälle fortsetzen zu wollen (BAG 28. Oktober 1971 – 2 AZR 15/71 – zu II 2 b der Gründe). Daran fehlt es im Streitfall. Die Beklagte hatte den Kläger schon im Jahr 2006 suspendiert und ihm ab dem Jahr 2008 kein Entgelt mehr gezahlt. Dass sie schon erhebliche Zeit vor der Suspendierung Kenntnis von seinem Verhalten gehabt hätte, wird von keiner Seite behauptet. Der Kläger durfte damit auch während des Zuwartens der Beklagten nicht darauf vertrauen, sie wolle das Arbeitsverhältnis mit ihm fortsetzen.
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IV. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO). Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 45 Abs. 2, § 46 Buchst. b des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Dezember 1993 (KABI. S. 346), zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 26. Januar 2004 (KABI. S. 48) und Kirchengesetz vom 8. Dezember 2010 (KABl. 2011 S. 14), in Kraft seit dem 1. Januar 2011, unwirksam.
38
1. Die Beklagte hat die Mitarbeitervertretung über die beabsichtigte Kündigung ausreichend informiert. Sie hat sie über die persönlichen Daten des Klägers, den Kündigungssachverhalt, das verwaltungsgerichtliche Verfahren und den Zeitpunkt unterrichtet, zu welchem sie Kenntnis vom Ausgang dieses Verfahrens erlangt hat. Das Beratungsrecht der Mitarbeitervertretung hat sie gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 MVG in zulässiger Weise auf drei Tage verkürzt. Diese hat ihre Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung erteilt.
39
2. Es kann dahinstehen, ob die Mitglieder der Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß geladen worden waren.
40
a) Bei der Unterrichtung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG haben interne Fehler bei der Beschlussfassung des Gremiums auf die Korrektheit der Anhörung und die Wirksamkeit der Kündigung keine Auswirkungen. Der Arbeitgeber hat keine rechtliche Möglichkeit, die Beschlussfassung des Betriebsrats zu beeinflussen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 43; 6. Oktober 2005 – 2 AZR 316/04 – Rn. 21 mwN). Das gilt für mögliche Fehler im internen Verfahren der Mitarbeitervertretung gleichermaßen. Auch auf dieses hat der kirchliche Arbeitgeber rechtlich keinen Einfluss. § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG ist § 102 BetrVG insoweit nachgebildet, als die Mitarbeitervertretung – ähnlich wie nach § 102 Abs. 2 BetrVG der Betriebsrat – innerhalb einer Frist Einwendungen geltend machen muss, damit die beabsichtigte Kündigung nicht als gebilligt gilt (vgl. zu § 30 MAVO BAG 16. Oktober 1991 – 2 AZR 156/91 – zu II 2 c der Gründe). Auch die Beteiligung der Mitarbeitervertretung unterfällt damit zwei aufeinanderfolgenden Verfahrensabschnitten mit getrennten Zuständigkeiten und getrennter Verantwortung.
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b) Ein Fehler im Verfahren der Arbeitnehmervertretung ist dem Arbeitgeber nur dann zuzurechnen, wenn erkennbar nicht eine Stellungnahme des Gremiums, sondern etwa nur eine persönliche Äußerung seines Vorsitzenden vorliegt oder er – der Arbeitgeber – den Fehler durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst hat (vgl. zu § 102 BetrVG BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 44; 6. Oktober 2005 – 2 AZR 316/04 – Rn. 22 mwN). Hierfür gibt es im Streitfall keinen Anhaltspunkt.
42
V. Die Kosten der Revision und des Berufungsverfahrens hat gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.